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Wissen und Macht

„Man muß wohl auch einer Denktradition entsagen, die von der Vorstellung geleitet ist, daß es Wissen nur dort geben kann, wo die Machtverhältnisse suspendiert sind, daß das Wissen sich nur außerhalb der Befehle, Anforderungen, Interessen der Macht entfalten kann. Vielleicht muß man dam Glauben entsagen, daß die Macht wahnsinnig macht und daß man nur unter Verzicht auf Macht ein Wissender werden kann. Eher ist wohl anzunehmen, daß die Macht Wissen hervorbringt (und nicht bloß fördert, anwendet, ausnutzt); daß Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen, daß es keine Machtbeziehung gibt, ohne daß sie ein entsprechendes Wissensfeld konstitutiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstitutiert.

Diese Macht/Wissen-Beziehungen sind darum nicht von einem Erkenntnissubjekt aus zu analysieren, das gegenüber dem Machtsystem frei oder unfrei ist. Vielmehr ist in Betracht zu ziehen, daß das erkennende Subjekt, das zu erkennende Objekt  und die Erkenntnisweisen jeweils Effekte jener fundamentalen Macht/Wissen-Komplexe und ihrer historischen  Transformationen bilden. Es ist also nicht so, daß die Aktivität des Erkenntnissubjekts ein für die Macht nützliches oder gefährliches Wissen hervorbringt; sondern die Formen und Bereiche der Erkenntnis werden vom Komplex Macht/Wissen von den ihn durchdringenden und konstituierenden Prozessen und Kämpfen bestimt.“

[Michel Foucault in „Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses“, Frankfurt/Main, 1977, S.39/40]