Schlagwort-Archiv: Kontingenz

Tausche Gewißheit gegen Kontingenz

„Eben dieser metaphysischen Konvention des Hinausfragens über den Horizont des Humanen entgleitet die Kultur. Wer sich ihr zuwendet, muß den Maßstab des Absoluten aufgeben, um der Sinnfälligkeit daseinsweltlicher Erscheinungen nachzuspüren. Allerdings entfallen mit der Abwendung vom Idealismus der Wesensschau auch dessen Garantieleistungen. Das philosophische Interesse an der Kultur entspringt aus der Frage, was dem Menschen bleibt, nachdem er hat einsehen müssen, daß ihm „der Griff nach der reinen Evidenz“ (Blumenberg) mißlingt. Die philosophische Bearbeitung von Kultur setzt die Bereitschaft voraus, jenes reduktionistische, an die Erwartungen endgültiger Gewißheit gebundene Schema preiszugeben und sich der Kontingenz, aber auch dem Reichtum der Kulturwelt zu stellen.“

[Ralf Konersman, Kulturphilosophie. Zur Einführung, Hamburg, 2003, S.18]

Mythos Ehe

„Auch die Hochzeit war ein Ritus, der den stabilen Lauf der Welt markierte, doch ist er heute ausgehöhlt bis zur Unkenntlichkeit. Noch dem treuesten Schwur vor dem Altar ist das Scheitern eingeschrieben, per Ehevertrag wird nebenher geregelt, wem das Haus zufällt oder der VW Passat, wenn es zur Scheidung kommt, die man realistischerweise nicht auszuschließen vermag.

Wir sind abgeklärt, da wir die Zukunft als kontingent, als wechselhaft, als offen uns denken. Wer heiratet, heiratet heute immer paradox: Er denkt sich die Ewigkeit als eine mit Verfallsdatum.“

 

[aus dem Artikel „Über erneuerbare Liebe“ von Adam Soboczynski im Zeitmagazin, Ausgabe 22 vom 27.5.2010]