Schlagwort-Archiv: Hugo St.Viktor

wertvolle Schätze im Herzen

„Mein Kind. Die Weisheit ist ein Schatz, und dein Herz ist der Platz, ihn zu verwahren. Wenn du die Weisheit lernst, sammelst du wertvolle Schätze; Sie sind unsterbliche Schätze, die ihren Glanz nie verlieren. Es gibt viele Arten von Weisheit, und in der Truhe deines Herzens gibt es viele Verstecke: solche für Gold, für Silber, und für Edelsteine … du mußt lernen, diese Plätze zu unterscheiden, zu wissen, welche Dinge hier liegen und welche dort … Mach es wie der Geldwechsler auf dem Markt, dessen Hand ohne zu Zögern in den richtigen Sack taucht und sofort die richtige Münze herausfischt.“

[Hugo von St. Victor in „De tribus maximis circumstantiis“, hg. v. W.M. Green in: Speculum 18 (1943), 483-493, zit. nach Aleida Assmann, Erinnerungsräume, Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München, 2010, S. 116]

de.mut

„Der Anfang der sittlichen Disziplin aber ist die Demut. Deren Lehren sind zahlreich, für den Studenten aber sind besonders diese drei wichtig: erstens, daß er kein Wissen und kein Schriftwerk geringschätzen soll; zweitens, daß er sich bei niemandem schämen soll, von ihm zu lernen; drittens, daß er, wenn er selbst Gelehrtheit erreicht hat, die anderen nicht verachten soll.“

(Hugo von St.Viktor um 1127 im „Didascalicon„, aus dem Lateinischen übersetzt von Thilo Offergeld]

das erinnert mich an einen schönen Satz aus der Mischna: „Wer ist weise? Der von allen Menschen lernt.“ 

Heimat und Fremde

„Für diejenigen, die philosophieren, ist die ganze Welt eine Fremde. Dennoch , wie ein Dichter sagt:

Durch ein eigentümliches Gefühl der Süße zieht der heimatliche Boden alle an und läßt sie nie seiner vergessen.

Es ist daher eine wichtige Grundlage für die Tugend, daß der Geist in allmählicher Übung zunächst lernt, die sichtbaren und vergänglichen Dinge zu vertauschen, um sie dann später sogar ganz aufgeben zu können. Wem sein Heimatland lieb ist, der ist noch zu verwöhnt; wem jedes Land Heimat ist, der ist schon stark; wem aber die ganze Welt Fremde ist, der ist vollkommen. Der erste hat seine Liebe an eine bestimmte Stelle der Welt geheftet, der zweite hat sie auf die ganze Welt ausgedehnt, der dritte hat sie ganz ausgetilgt. Ich selbst habe schon seit meiner Kindheit in der Fremde gelebt, und ich weiß, mit welchem Kummer die Seele mitunter den kärglichen Fleck einer armen Hütte verläßt, ich weiß aber auch, mit welcher Freiheit sie später die marmornen Wohnsitze und die getäfelten Säle verachtet.“

[Hugo von Sankt Viktor im 3. Buch des „Didascalicon de studio legendi“ in deutscher Übersetzung, Mitte der 1120er Jahre]

γνῶθι σεαυτόν

Unter allem, was erstrebenswert ist, ist das höchste die Weisheit, in der die Form des vollkommenen Guten existiert. Die Weisheit erleuchtet den Menschen, so daß er sich selbst erkennen kann – denn er war den übrigen Geschöpfen gleich, solange er nicht erkannte, daß er als ein ihnen überlegenes Wesen erschaffen wurde. Sein unsterblicher Geist aber, von der Weisheit erleuchtet, betrachtet seinen eigenen Ursprung und erkennt, wie unangemessen es für ihn ist, irgend etwas außerhalb seiner selbst zu suchen, wenn doch das, was er selber ist, ihm genug sein könnte.“

[Hugo von Sankt Viktor zu Beginn des „Didascalicon de studio legendi“ in deutscher Übersetzung, Mitte der 1120er Jahre]