hinter den Kulissen

„Was ist das für eine überwältigende Macht! Schauen Sie sich dieses Leben an: die Unverfrorenheit und der Müßiggang der Schwachen, ringsum eine unmögliche Armut, Bedrängtheit, Entartung, Trunksucht, Heuchelei, Lügensucht… Dabei herrscht in allen Häusern und auf den Straßen Stille und Ruhe; von fünfzigtausend Stadtbewohnern nicht einer, der aufschreien und sich laut erregen würde. Wir sehen nur die, die auf den Markt gehen, um ihre Lebensmittel einzukaufen, die am Tage essen, in der Nacht schlafen, die all ihr dummes Zeug zusammenreden, sich verheiraten, alt werden und seelenruhig ihre Verstorbenen auf den Friedhof bringen; aber wir sehen und hören nichts von denen, die leiden, und das, was schrecklich am Leben ist, spielt sich irgendwo hinter den Kulissen ab. Alles geht still und ruhig vor sich, und nur die stumme Statistik protestiert: soundso viele sind wahnsinnig geworden, soundso viele Tonnen Schnaps wurden ausgetrunken, sounso viele Kinder kamen infolge Unterernährung um…“

[A.P. Tschechow – 1860-1904 in „Meistererzählungen“, unter dem Titel „Die Stachelbeeren“ nach der Übersetzung von Reinhold Trautmann, Leipzig, 1949, S. 308]