„Für diejenigen, die philosophieren, ist die ganze Welt eine Fremde. Dennoch , wie ein Dichter sagt:
Durch ein eigentümliches Gefühl der Süße zieht der heimatliche Boden alle an und läßt sie nie seiner vergessen.
Es ist daher eine wichtige Grundlage für die Tugend, daß der Geist in allmählicher Übung zunächst lernt, die sichtbaren und vergänglichen Dinge zu vertauschen, um sie dann später sogar ganz aufgeben zu können. Wem sein Heimatland lieb ist, der ist noch zu verwöhnt; wem jedes Land Heimat ist, der ist schon stark; wem aber die ganze Welt Fremde ist, der ist vollkommen. Der erste hat seine Liebe an eine bestimmte Stelle der Welt geheftet, der zweite hat sie auf die ganze Welt ausgedehnt, der dritte hat sie ganz ausgetilgt. Ich selbst habe schon seit meiner Kindheit in der Fremde gelebt, und ich weiß, mit welchem Kummer die Seele mitunter den kärglichen Fleck einer armen Hütte verläßt, ich weiß aber auch, mit welcher Freiheit sie später die marmornen Wohnsitze und die getäfelten Säle verachtet.“
[Hugo von Sankt Viktor im 3. Buch des „Didascalicon de studio legendi“ in deutscher Übersetzung, Mitte der 1120er Jahre]